Laudatio Sächsischer Bürgerpreis – 6. Oktober 2015

Geert Mackenroth MdL Logo-saechs-auslaenderbeauftragter

Wenn wir heute nicht nur einen Sächsischen Bürgerpreis, sondern auch einen Preis verleihen würden für den Satz, den Ausspruch des Jahres – ich glaube, er ginge an unsere Bundeskanzlerin für ihr schon jetzt legendäres „Wir schaffen das“. Ihren schlichten Indikativ teilen nicht mehr alle, viele zweifeln. Aber auch wer das „Wir schaffen das“ bejaht, darf nach dem „Wie schaffen wir das“ fragen: Die großen Baustellen sind weiterhin offen. Vorschläge zur Lösung der Flüchtlingskrise gibt es viele. Nur keine, mit der sich die Zahl der Flüchtlinge senken ließe. Überzeugend ist vor allem jener Teil der aktuellen Analysen, in dem erläutert wird, was alles auf absehbare Zeit nicht funktionieren kann. Das gilt für die Weltbühne und die innereuropäische Ebene ebenso wie für den Bereich der Bundespolitik. Hausaufgaben warten allüberall, auch bei uns im Freistaat, der die Dinge oft nur vollziehen kann, der die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen, Sicherheit garantieren, besorgte Bürger beruhigen kann, aber wenig selbst gestalten darf und nicht selten wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt und wartet, was da aus Brüssel und Berlin so heruntertropft.
„Wir schaffen das?“ Was machen wir derweil im Kleinen, vor Ort? Mit Tatkraft und Zuversicht helfen, wo Hilfe nötig ist – leichter gesagt als getan. Wo immer ein Asylbewerberheim entstehen sollte und soll, kochte und kocht die Emotion in der Bevölkerung oft hoch. Die richtige Antwort darauf war und ist das Bemühen, eine Kultur des Miteinander-Lebens durch niederschwelligen Angebote zu schaffen und damit auch bei den Einheimischen Befürchtungen abzubauen.
Die Vorgeschichte unseres Preisträgers ist – leider Gottes – mittlerweile fast schon zur Regel geworden: Im einem kleinen sächsischen Ortsteil sollte eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge entstehen. Im Rahmen einer Unterschriftenaktion wurden dagegen binnen Tagen über 1000 Unterschriften gesammelt. Die Stimmung drohte zu kippen. Doch was danach passierte, ist beispielhaft für unseren Freistaat, für unser lebendiges Gemeinwesen und für engagierte Bürger: Viele wollten ihren Ortsteil nicht in Verruf bringen und in die Ecke drängen lassen. Zuerst 10, dann 20, schließlich über 160 haben sich zusammengefunden. Sie wollten etwas tun, wussten aber nicht gleich, wie sie am besten reagieren können. Sie haben sich gefragt, wer diese Flüchtlinge sind. Was sie tatsächlich brauchen. Sie haben mit dem lokalen Ausländerbeirat, mit der Sozialbetreuerin gesprochen. Und schließlich einen Verein gegründet und Arbeitsgruppen gebildet: Eine Gruppe begleitet die Flüchtlinge zu den Behörden und vermittelt Patenschaften. Eine Gruppe ist für den Spracherwerb zuständig. Eine Gruppe kümmert sich um Freizeitaktivitäten, z.B. Sport und Kultur. Eine Gruppe sucht das Gespräch mit den Skeptikern, mit Bürgern, die berechtigte Fragen haben. Und schließlich eine Gruppe kümmert sich um Spenden, damit die vielseitige Vereinsarbeit funktionieren kann.
Die Beherrschung der deutschen Sprache – erste und unerlässliche Voraussetzung für jede Integration – stellte unsere Preisträger zu Recht in den Vordergrund – es geht ihm nicht nur darum, Vokabeln und Grammatik zu lehren, sondern auch Orientierung zu geben, Kenntnisse über das alltägliche Leben, Werte, Sitten und Gebräuche in Deutschland zu vermitteln. Der Verein reagiert auf die Veränderungen, die das Flüchtlingswohnheim für das Leben in der Umgebung mit sich bringt, gestaltet gemeinsame Freizeiten, will ins Gespräch kommen. Und das Ergebnis? Eine klassische win-win- Situation. Flüchtlinge profitieren, Bürger engagieren sich und helfen, in heiterer Gelassenheit kann Dresden – Pappritz, kann das Hochland der weiteren positiven Entwicklung entgegensehen. All das ist ebenso vorbildlich wie preiswürdig. Wir schaffen das. Mit Tatkraft und Zuversicht.
Ich gratuliere dem Verein „Willkommen im Hochland e.V.“ zur verdienten Auszeichnung mit dem Sächsischen Bürgerpreis.